Fasu Alijewa – Die Stimme der Frauen im Kaukasus
Fasu Gamzatowna Alijewa war mehr als nur eine Dichterin – sie war das Gewissen ihrer Zeit,
die Stimme der dagestanischen Frau und eine unerschrockene Kämpferin für Gerechtigkeit. Geboren am 5. Dezember 1932 im hochgelegenen Bergdorf Gunib in Dagestan, wuchs sie inmitten uralter Traditionen, rauer Natur und einem tief verwurzelten Patriarchat auf. Aus dieser Welt formte sie ihre unverkennbare poetische Sprache – zugleich zart wie eine Frauenhand und schneidend wie ein Schwert.
Schon als junges Mädchen lauschte sie den Geschichten der älteren Frauen, spürte ihre unterdrückte Trauer, ihren schweigenden Protest. Früh begann sie, Worte gegen das Schweigen zu setzen. Fasu war die erste Frau in der Geschichte der awarischen Literatur, die den Mut hatte, öffentlich über das Schicksal der Frau im Kaukasus zu sprechen – über frühe Ehen, über Gewalt, über das Unsichtbarsein.
Ihr Schreiben war nicht gegen Männer gerichtet – es war gegen das System des Schweigens, gegen die Normalisierung von Schmerz und Unfreiheit. Sie schrieb über die Lasten der Mütter, die Einsamkeit der Ehefrauen, das Verstummen der Töchter. Doch ihre Verse waren nie hoffnungslos. In ihnen lebte immer ein Licht, ein Aufruf, ein Weg zur Würde.
„Die Mutter ist keine Sklavin, kein Schatten des Mannes,
Die Mutter ist der Himmel, der das Haus trägt.
Die Frau aus den Bergen – das ist das Herz der Ebene,
Ihr Schmerz leuchtet in jedem meiner Verse.“
Fasu Alijewa war nicht nur Poetin, sondern auch öffentliche Persönlichkeit, Vorsitzende des Schriftstellerverbandes Dagestans, Aktivistin und Abgeordnete. Sie war vielfach ausgezeichnet – mit dem Leninorden, dem Orden der Völkerfreundschaft und vielen weiteren Ehrungen. Doch ihre größte Auszeichnung war, dass sie für Tausende Frauen zur Stimme wurde, die endlich gehört wurde.
Bis zu ihrem Tod am 1. Januar 2016 in Machatschkala blieb sie ein Symbol für weibliche Würde, Mut und poetische Kraft. Ihre Werke wurden in viele Sprachen übersetzt, ihre Gedanken bleiben zeitlos aktuell.
Gedicht von Fasu Alijewa – „Ich bin eine Frau“
Ich bin eine Frau – das heißt, ich bin Schauspielerin,
In mir sind hundert Gesichter und tausend Rollen.
Ich bin eine Frau – das heißt, ich bin eine Königin,
Die Geliebte aller irdischen Könige.
Ich bin eine Frau – das heißt, ich bin eine Sklavin,
Die den salzigen Geschmack der Kränkung kennt.
Ich bin eine Frau – das heißt, ich bin eine Wüste,
Die dich mit ihrer Glut verbrennt.